Manfred Holtfrerich
Feld 2
2023
Inkjet pigment prints on photo paper laminated on aluminum honeycomb board
180 × 125 cm

FELDER, BLÄTTER UND ANDERE GEGEBENHEITEN

Opening
14 Nov 2024, 6 pm
 

Lieber Freund,

dies als Antwort zu meinem Verständnis von Kunst und Kunstwerken. In der Kunst geht es nicht um Werte, die außerhalb von Kunst liegen, sondern die Kunst ist der Wert. Ich verabsolutiere auch nicht die Form, sondern Kunst wird in Form sichtbar, in welcher Art Form auch immer.

Die Form kennzeichnet das Werk. Die Form kann alles sein, es muss nur in Form gebracht werden, damit es als Werk klassifiziert werden kann, sei es Wind, der durch einen Raum geblasen wird, s. Ryan Gander; sei es Kamelwasser in einer Flasche bei Slominski; seien es Flu?sterlaute bei Tino Sehgal oder Pissbilder von Andy Warhol. Durch die Form kommt die Behauptung des Bildes als ein Objektives zum Vorschein. Wenn die Behauptung durch ihre Formstruktur sich als Ausdruck manifestiert und als „richtig“ erscheint, können wir es es als Kunstwerk annehmen. Ein Kunstwerk schlägt dann die Augen auf, wie Benjamin gesagt hat.

Inhalt ist als Faktor immer gegeben, es gibt keine Kunst ohne Inhalt, deshalb ist die Frage nach mehr oder weniger Inhalt nicht logisch und führt nicht weiter.
Der Inhalt ist Teil des Faktischen, aber er ist nicht die Kunst. Der Inhalt kann alles sein, politisch oder religiös oder ein monochromer Print von Guyton.

Fu?r die Qualität, bezogen auf die Essenz eines Kunstwerks, spielt der spezifische Inhalt keine Rolle.
Inhalt und Technik sind unabdingbare Bestandteile der Werkstruktur und aufeinander bezogen. Inhalt und Technik (und Anderes mehr) kommen zusammen als Form, in einem Formprozess, der u. U. ein Werk ergibt. Ein Werk ist es nur, wenn es als das erscheint, und das kann es nur über Form. Ohne Erscheinung kein Werk. Inhalt kann niemals Werk sein, aber ein Werk ohne Inhalt ist schlechterdings nicht möglich.

Ku?nstler sind mediale Vermittler von Dingen, welche sich als Kunstwerk zeigen, besser gesagt, sie sind ein Medium, das in Raum und Zeit lebt und sich zwangsläufig als soziale und historisch geprägte Person äußert, auch in ihren Kunstwerken. Ob diese Äußerung interessant ist im sozialen Sinn oder inhaltlich langweilig, hat nichts damit zu tun ob es als Werk kraftvoll ist.

Für die Kraft eines Kunstwerks ist sein Geist verantwortlich, der sich über die Form manifestiert, die sich wiederum aus dem Zusammenwirken ihrer formalen Elemente, die auch von Intention, der Technik, des Inhalts, usw. bestimmt werden und sich als etwas komplexes zusammenwirkendes Ganzes zeigt und uns durch seine Aura berührt, anspricht und zur Akzeptanz und Kritik herausfordert.

Ich nehme an, du weißt, das ich mich neben der Kunst intensiv mit gesellschaftlichen Prozessen auseinandersetze, das ist ein wichtiger Teil meines Lebens, der viel Raum einnimmt und mir fast zuviel Zeit nimmt, die meiner Arbeit verloren geht. Aber die Kunst ist für mich kein Forum gesellschaftlicher Proklamationen.

Mit der Essenz von Kunst haben gesellschaftliche Aussagen wenig zu tun, behindern im Gegenteil die ästhetische Erfahrung. Die Qualität der Kunst liegt in ihrem Freisein von ideologischen Voraussetzungen. Dieser Freiheitsbegriff macht ihre gesellschaftliche Relevanz aus.

Mag es eine Mode oder Trend sein, wenn sich Kuratoren heute mit gesellschaftlichen Bedingungen auseinandersetzen wollen, aber es als Bedingung für Kunst nehmen, zeugt eher von einem Mangel an Verständnis von Kunstwerken und von einer Herangehensweise, die an der Oberfläche der Werke bleibt, also eigentlich ein Mißverständnis von Kunst. D.h. man möchte Kunst verstehen, kann sich aber wegen der mangelnden Diskursivität oder ihrer Vieldeutigkeit nicht darauf einlassen, oder es fehlt das Vertrauen in die eigene Urteilskraft und man sucht den Ausweg im Kognitiven, indem man Kunstwerke über den faktischen Inhalt rationalisiert. Das führt leider an Kunstwerken vorbei.

Das mal als schnelle Antwort, darüber müssen wir uns irgendwann intensiver unterhalten,

Gruß Manfred