Heinrich Modersohn
12.19
2019
Tusche auf Steinpapier
30 × 30 cm

Stone Paper

Opening
30 Jan 2020, 6–9 pm
 

DE

Arbeiten auf Steinpapier zeigen Modersohns jüngsten Umgang mit einem neuen Material, aus dem der Maler frische Darstellungsmodi entwickelt. Die Tuschen werden von dem Material nicht aufgesogen, sondern sitzen ebenso fest wie flexibel auf der glatten Oberfläche und beschreiben dort ein breites Spektrum an Linienqualitäten und Flächencharakteristika. Ausblühungen und scharfkantige Verläufe stehen nebeneinander, hart konturierte realistisch anmutende Figurationen und surreal wirkende, traumartige Gebilde spielen sich zu. Die Arbeiten erscheinen wie intime Impromptus. In ihrem kammermusikalischen Charakter und ihrem Stegreifmodus umspielen sie schwebend die gesetzten Leitmotive mit dem Reiz des Direkten, Leichten, nicht Ambitionierten. Wie beiläufig hingeworfen fügen sie sich doch in einer formalen Kraft, nicht streng durchgearbeitet, sondern in einer offenen Assoziationskette entwickelt, das eine aus dem anderen hervorgebracht, wie organisch aufgefächert und doch immer wieder aus der Form ausscherend. […]

Man sieht Modersohns Bildern seine Strategien an: Das bildnerische Geschehen entfaltet sich aus einer initialen Setzung, Denken und Tun sind kurzgeschlossen. Jedes Bild wirkt wie ein Neuanfang, mit jeder beginnenden Geste eröffnet sich ein neues Bezugssystem. In einem ebenso freien wie beherrschten, aber nur bedingt reflektierten Handeln sitzt der künstlerische Zugriff auf einem schmalen Grat zwischen Bewusstsein und Unbewusste. […]

Warum nicht Kunst sehen wie Musik hören? hat Modersohn in einer Notiz formuliert. Seine Malerei bildet eine der Musik verwandte Abstraktheit und Absolutheit der Darstellungsmittel aus, ohne sie von der uns umgebenden Wirklichkeit abzuspalten. Seine Bildwelt fordert uns auf, unsere Wahrnehmung ganz auf den sinnlichen Gehalt der Linien, Flächen und Formen auszurichten […]

Bei Modersohn ereignet sich das Punktum der Malerei gänzlich ohne Pathos und Mission. Mit der Verweigerung von oberflächlicher Delikatesse in der Farbigkeit und der Abwahl von gelenkiger Virtuosität im Strich setzt er auf unmittelbare, bisweilen schroff wirkende, gleichwohl geklärte Einfachheit. Er zielt auf Elementares und auf den Quellbezirk der Form zwischen rauher Materialsprache und subtiler Bildrhetorik. Frei von Konzept, System und Dogma, skeptisch gegenüber der Theorie, die bei der Malerei nur hinderlich ist, agiert er mit Leichtigkeit, subversivem Spiel und leisem Humor. Seine Malerei belegt, dass sich Reduktion und Sinnlichkeit nicht ausschließen müssen. Er beschäftigt das Auge, ohne es zu überfrachten, er hält sich nicht in der Defensive und wird doch niemals aufdringlich. Er gelangt zu formaler Verdichtung und öffnet seine Bilder in einen unbegrenzten poetischen Raum. In seiner Kunst leben Erneuerung, Aufbruch und Anfang.
Text: Rainer Bessling

Stone Paper ist mittlerweile die fünfte Einzelausstellung von Heinrich Modersohn (*1948) in der Produzentengalerie Hamburg und er zeigt hier seine neuesten Papierarbeiten auf Steinpapier.
Werke des Künstlers wurden bisher sowohl national als auch international präsentiert u. a. auf der Graphik Biennale in Ljubljana, Slowenien; im Goethe
Institut, Thessaloniki, Griechenland; im Kunsthaus und Kunstverein in Hamburg, im Roemer & Pelizaeusmuseum, Hildesheim sowie in der Villa Zanders, Bergisch-Gladbach, im Kunstverein Schwäbisch-Hall und im Zentrum für zeitgenössische Kunst, Syke. Außerdem nahm Heinrich Modersohn an zahlreichen Ausstellungsprojekten in Deutschland teil sowie in Italien, der Niederlande und den USA. Seine Werke sind sowohl in Privatsammlungen als auch in institutionellen Sammlungen wie der SMPK Kupferstichkabinett Berlin, der B. Braun Kunstsammlung, Melsungen; der Sammlung Museum Morsbroich, Leverkusen; der Oldenburger Landesbank, und der Kunstsammlung RAG Essen, vertreten.

ENG

Modersohn’s works on stone paper show the painter’s recent interest in dealing with a new material to develop fresh modes of portrayal. Watercolours are not soaked up by the material but lie both firmly and flexibly on the smooth surface, where they describe a broad spectrum of differently characterized lines and areas. Blooms are juxtaposed against sharp-edged washes; starkly contoured, realistic-appearing figurations interchange with surreal-seeming, dream-like formations. The works suggest intimate impromptus. With their spontaneous, chamber-music character, they float around set themes with the appeal of the direct, easy, and informal. Though appearing as if dashed off at the spur of the moment, they nonetheless submit to a formal force, which is not stringently pursued but echoed in an open chain of association, one link emerging from the next, fanning out organically and yet constantly breaking away from the form. […]

Modersohn’s pictures betray the strategies behind them: The pictorial action develops from an initial proposal, thoughts and movements occur impulsively. Every picture seems like a new start, every incipient gesture opens a new frame of reference. The artist’s actions, which are as free as they are controlled, and only to an extent considered, express an artistic approach that rests on a thin line between the conscious and the subconscious. […]

Why not see art like listening to music? Modersohn asked in a note. His painting marks an abstract and absolute means of portrayal, akin to music. But it does not separate the means from the reality surrounding us. His imagery prompts us to direct our attention at the sensuous content of the lines, areas and forms. […]

In Modersohn’s work, the painting’s punctum – its personal impact – occurs entirely without pathos or agenda. Foregoing superfluous chromatic delicacies and dextrous virtuosities of line, the artist focuses on immediate, perhaps brusque, yet clarified simplicity. Seeking the fundamental and the source of the form, he balances a rough material language with a subtle visual rhetoric. Free of concepts, systems and dogma, sceptical of theories that are only obstructive to painting, his art operates with lightness, subversive playfulness and gentle humour. It shows that reduction and sensuousness do not have be mutually exclusive. Modersohn engages the eye without overloading it; he is neither guarded nor obtrusive. He achieves formal refinement and opens wide his pictures in a boundless poetic space. Renewal, awakening and inception live in his art.
Text by Rainer Bessling

The exhibitiom Stone Paper is until now the fifth solo show of Heinrich Modersohn (*1948) in the Produzentengalerie Hamburg and it shows his latest ink drawings on stone paper.
Works by the artist have been presented nationally and internationally, including at the Graphic Biennale in Ljubljana, Slovenia; at the Goethe Institute, Thessaloniki, Greece; at the Kunsthaus and Kunstverein in Hamburg, at the Roemer & Pelizaeusmuseum, Hildesheim as well as at the Villa Zanders, Bergisch-Gladbach, at the Kunstverein Schwäbisch-Hall and at the Center for Contemporary Art, Syke. Heinrich Modersohn has also participated in numerous exhibition projects in Germany, Italy, the Netherlands and the USA.
His works are represented in private collections as well as in institutional collections such as the SMPK Kupferstichkabinett Berlin, the B. Braun Kunstsammlung, Melsungen; the Sammlung Museum Morsbroich, Leverkusen; the Oldenburger Landesbank, and the Kunstsammlung RAG Essen.