Installation view Tjorg Douglas Beer Hell – Net,
Boundles New York, 2008

Salonu Istanbul / Observation Desk

Opening
13 Mar 2008, 6 – 9 pm
 

Die Produzentengalerie Hamburg freut sich, die Einzelausstellung Salonu Istanbul/ Observation Deck von Tjorg Douglas Beer zu zeigen. In einer installativen Anordnung agieren Porträts, eine große Folie und eine Skulptur als Protagonisten einer urbanen Szenerie. Eher Berlin-Kreuzberg als Hamburger Innenstadt bietet sich dem Besucher ein Setting aus unterschiedlichen Zeichen- und Bedeutungs­ebenen: Türkischer Kultur­verein, Ratsherrensaal, betonierte Fußgängerpassagen, städtische Parkanlagen, belebt von Imamen, jugendlichen Straftätern, Uptown-Hipstern, beflissenenen Studentinnen, kleinkriminellen Gemüsehändlern. Kopftuch, Fez und Pa­lasti­nensertuch sind nicht mehr eindeutig als religiöses, ideologisches oder modi­sches Signal zu deuten. Die tafelbildähnliche Großcollage schwingt auf einer Amplitude zwischen Graffitis und Altarbild.

Beers Installation überträgt die irritierten Sehweisen einer Stadtumwelt, in der sich der Städter zu Hause und zugleich fremd fühlt. Der Titel Salonu Istanbul/Observation Desk öffnet ein Assoziationsfeld und ist zugleich eine Klammer für zwei Erfahrungsebenen. Eine etwas triste Alltagsrealität, die sich aus Discount-Supermärkten, verwahrlosten Plätzen zusammen­setzt trifft auf ein fast touristischen oder ethnologischen Blick und ein Interesse an einem fremden Setting. Zugleich machen sich sowohl in der wahrgenommenen Umwelt als auch im eigenen Blick der Einfluss hyperparanoider, von elektronischer Überwachung und Ver­folgung geprägter Realitäten bemerkbar, die dem Rezipienten aus anderen Bereichen bekannt sind und sich als mediale vermittelte Wirklichkeit über die Wahrnehmung der physischen Umwelt schieben.

Die in Beers Installation wiedergegebene Wahrnehmung ist eine Mischung aus gelenktem Blick und einem momentanen Interesse des Künstlers an seiner Lebensumwelt. Der Titel gibt auch einen Hinweis auf Beers Arbeitsweise, die einem Sammelprozess entspricht und für die er sich einige wenige Punkte definiert, die ihm als eine Art Observierungsort dienen, – wie die Wasserpfeife, die in der Produzentengalerie ein zen­trales Raumelement ist. Zugleich ist Observation Deck so etwas wie die Ortsbeschreibung einer Regie­­­­anweisung: Die eigene Perspektive trifft auf eine paranoid aufgeladene Stimmung, ausgelöst durch das Aufeinander­treffen von verschiedenen Kulturen und Denkweisen, die einander argwöhnisch obser­vieren. Auf Basis dieser Grundannahme entwickelt Beer seine Figuren, die aber häufig nicht mehr als Schimären eines Klischees zu sein scheinen, – aufgetaucht aus dem Pool der vielen Zeichen. Entscheidender als die konkrete Benennung der Protagonisten und ihrer Funktion ist jedoch das grundsätzliche Interesse von Tjorg Douglas Beer an sich überlappenden Bedeutungsebenen, das sich auch in anderen, konkreten Sze­narien äußern kann. Formal ist dieses Interesse an der Collage-Technik abzulesen, die sich durch Beers Arbeiten hindurch zieht und der sich verschiedene Assoziationsebenen überlagern, während zu­gleich eine gewisse Distanziertheit den künstlerischen Prozess bestimmt. Die Prinzipien der Kurz­lebig­keit, der An­häu­fung und der potenziellen Offenheit finden sich auch in allen Arbeiten von Tjorg Douglas Beer:  Installa­tion, Folien und Bilder sind widerspänstige Gefüge aus Holz, PVC-Folie, Karton, Sperrholz, Aluminium, Marker, Acrylfarbe und Klebeband.

Tjorg Douglas Beer wurde 1973 in Lübeck geboren und hat an der HfbK Hamburg sein Diplom in bilden­der Kunst u.a. bei Werner Büttner gemacht. Einzelausstellungen von Beer zeigten u.a. Mitchell-Innes & Nash/New York, Patricia Low Contemporary/Gstaad, Karlheinz Meyer/Karlsruhe, das Kunsthaus Hamburg und das Contemporary Art Institute/Sapporo. Gruppenausstellungen zeigten Beers Arbeiten u.a. bei BoundLES/New York, im Bonner Kunstverein, im Heidelberger Kunstverein, bei Space Other/Boston, im Hokkaido Museum of Modern Art/Sapporo, im Leopold-Hösch-Museum/Dueren, im Hamburger Kunstverein.

 

Text: Anna-Catharina Gebbers